Unkostenbeitrag für einen nicht abgeschlossenen Vertrag
21. März 2023Entscheidbesprechung
Dem Amfamgsmietzins prüfen? In Freiburg kann sich das lohnen.
Auch wenn das offizielle Formular mit dem Mietizns des Vormieters seit dem 1. Januar 2021 im Kanton Freiburg nicht mehr abgegeben werden muss, lohnt es sich in älteren Mietverhältnissen zu überprüfen, ob man das Formular bekommen hat. Warum dies so ist zeigt Rechtsanwalt Christian Jungen mit der Besprechung eines neueren Entscheides des Freiburger Kantonsgerichts (Kantonsgericht Freiburg, Nr. 102 2021 130 vom 30. November 2021).
Seit dem 1. Januar 2021 ist es im Kanton Freiburg nicht mehr Vorschrift, dass der Vermieter bei der Wohnungsübergabe dem Mieter den Mietzins des Vormieters auf einem Formular bekannt gibt. Für Mietverträge, welche vor diesem Datum abgeschlossen wurden, ist das Formular jedoch weiterhin vorgeschrieben und die Mieter*innen können den Anfangsmietzins anfechten, wenn ihnen das Formular nicht ausgehändigt wurde.
Genau das taten auch zwei Mieter aus dem Broyebezirk und verlangten, ihr Nettomietzins sei rückwirkend ab dem 1. Januar 2019 von CHF 2’300.00 auf CHF 1’500.00 zu reduzieren.
Vor der Schlichtungskommission konnten sich die Parteien nicht einigen. Anlässlich der Verhandlung vor dem Mietgericht, gab der Vermieter zu Protokoll, er wisse nicht, welches Formular von ihm erwartet werde. Auch nach einlässlicher Erläuterung durch den Mietgerichtspräsidenten wies der Vermieter kein Formular vor und unterliess dies ebenso anlässlich des zweiten Verhandlungstermins. Das Mietgericht hiess die Klage der Mieter gut, und reduzierte den Nettomietzins ab dem 1. Januar 2019 auf CHF 1’500.00. Der Vermieter wurde zur Rückerstattung der zu viel bezahlten Mietzinse verurteilt.
Im Berufungsverfahren vor dem Kantonsgericht machte der Vermieter geltend, das Mietgericht habe gegen die richterliche Fragepflicht im Rahmen der sozialen Untersuchungsmaxime (Art. 247 Abs. 2 ZPO) verstossen. Er habe keine Kenntnisse der Formalitäten des Mietrechts und spreche nur schlecht französisch. Das Gericht hätte deshalb die Pflicht gehabt, den Hausverwalter E. als Zeugen vorzuladen. Das Gericht erteilte diesem Begehren eine Abfuhr. Der Vermieter habe sich vor der ersten Instanz klar dahingehend geäussert, dass er das von ihm geforderte Formular nicht kenne. Für das Mietgericht habe somit kein Anlass bestanden, durch richterliche Rückfragen die Notwendigkeit von hilfreichen Zeugenaussagen abzuklären.
Der Vermieter konnte im Berufungsverfahren sogar ein Schreiben vorweisen, welches er samt dem vorgeschriebenen Formular angeblich den Mietern geschickt habe.
Gemäss Art. 317 Abs. 1 ZPO werden neue Beweismittel im Rechtsmittelverfahren nur noch dann berücksichtigt, wenn sie ohne Verzug vorgebracht werden (lit. a.) und wenn sie trotz zumutbarer Sorgfalt nicht schon vor der ersten Instanz hätten vorgebracht werden können (lit. b.).
Die zumutbare Sorgfalt im Sinne von Art. 317 Abs. 1 lit. b ZPO verlange von den Verfahrensparteien nichts unmögliches, so das Kantonsgericht. Ein gewisses Mass an Aufmerksamkeit und Bereitschaft sich mit dem Prozessstoff zu befassen, werde allerdings schon erwartet (E. 3.2 mit Verweis auf BGer 4A_547/2019 E. 3.1). Im vorliegenden Fall hätte sich der Vermieter über die Bedeutung des offiziellen Formulars im Klaren sein müssen. Schliesslich habe ihm der Gerichtspräsident die Sachlage umfassend erläutert. Nachdem die Mieter den Erhalt des Formulars anlässlich ihrer Anhörung bestritten hätten, hätte der Vermieter auch wissen müssen, dass diese Frage ein zentraler Streitpunkt des Verfahrens sein würde (E 3.3). Im Ergebnis wies das Kantonsgericht das Formular als Beweismittel aus den Akten.
Wenn Sie im Kanton Freiburg vor dem 1. Januar 2021 einen Mietvertrag unterschrieben haben lohnt es sich also, zu prüfen, ob der Vermieter Ihnen das Formular mit dem Mietzins des Vormieters abgegeben hat oder nicht. Falls nein, kann selbst heute noch der Anfangsmietzins angefochten werden sofern die Fälligkeit des Mietzinses weniger als 10 Jahre zurückliegt.
Wenn in älteren Mietverhältnissen das bis Ende 2020 noch vorgeschriebene Formular mit dem Mietzins des Vormieters nicht abgegeben wurde (was der Vermieter beweisen muss), ist der Anfangsmietzins nichtig. Die Mieter können noch nachträglich den zulässigen Mietzins gerichtlich festlegen lassen und den zuviel bezahlten Mietzins über 10 Jahre zurückfordern, ja selbst wenn sie heute nicht mehr in der Wohnung wohnen.